Vertikaler Moosbewuchs
Entwicklung geeigneter Substratsysteme für ein kontrolliertes und zeitoptimiertes Wachstum.
Projektbeschreibung
Großstadt Welt. Mit dem Wandel von einer Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft erleben die Städte zu Beginn des 21. Jahrhunderts weltweit eine Renaissance. Immer mehr Menschen wollen in Städten leben. Die Zahl der Metropolen und deren Einwohner steigt stetig. Lebten laut Statistik im Jahr 2005 49,1 Prozent der Bevölkerung weltweit in Städten, so wird dieser Anteil für 2030 auf 60,0 Prozent prognostiziert. In Deutschland sollen der Einschätzung nach in diesem Jahr sogar 78,6 Prozent der Bevölkerung in Städten leben. In den hoch individualisierten und voll vernetzten urbanen Lebensräumen verändert sich auch das Verständnis von Natur und Mensch.
Durch den Wunsch nach einer erhöhten Lebensqualität und einem besseren Stadtklima wird Landschaft immer mehr in den urbanen Raum integriert. Intelligente Stadtkonzepte und smarte Designs vereinen dabei die Potenziale von Natur und Technik. Die Begrünung von Bauwerken und städtischer Infrastruktur wird vor diesem Hintergrund für Architekten und Stadtplaner immer interessanter. Dabei sind die Ansprüche an begrünten Flächen im urbanen Raum vielfältig. Gewünscht sind Areale, die neben einer Steigerung des Wohlbefindens auch positive Auswirkungen auf das Mikroklima und die Luftreinhaltung aufweisen, Lärm- und Schallbelastungen reduzieren, energetische Einsparpotenziale ermöglichen, den Regenwasserrückhalt unterstützen und eine Kühlung der oft überhitzten Städte fördern. Um Lösungen für diese Herausforderungen zu finden, wird die Entwicklung von zukunftsweisenden Systemen zur Begrünung von Bauwerken und urbaner Infrastruktur für die Forschung und Entwicklung ein immer wichtigerer Bestandteil. Das Projekt „VerticalGreenMoss“ des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT beschäftigt sich mit der bislang wenig erforschten vertikalen Begrünung unter Einsatz von Moosen. Als älteste Landpflanzen haben Moose vielversprechende physiologische Aspekte, wie zum Beispiel eine Ionenaustauschkapazität und eine selektiv antibakterielle und fungizide Wirkung.
In ihrem natürlichen Ökosystem wachsen die grünen Überlebungskünstler häufig vertikal an Steinen und Rinden, eine langfristig erfolgreiche gezielt technische Anzüchtung der Moose ist bislang jedoch noch nicht gelungen. Durch eine spezifische Stimulanz natürlich inspirierter Oberflächen verfolgt das Projekt des Oberhausener Forschungsinstituts einen flächendeckenden, zeitoptimierten und langfristig vertikalen Moosbewuchs und die daraus resultierende Entwicklung erfolgreicher Produktkonzepte. Dazu müssen im Projektverlauf zunächst relevante Parameter ermittelt werden, die ein vertikales Mooswachstum in der freien Natur ermöglichen. Daten natürlicher Substrate und Standorte werden erhoben, ausgewertet und analysiert. Die Grundlage für eine Strukturierung stellen Abformungen natürlicher Oberflächen und die Untersuchung der sich darstellenden Substrattopologie dar. Auf Basis der Ergebnisse soll anschließend ein Konzept erstellt werden, das die Grundlage für die Entwicklung technischer Systeme bzw. für die Konzeptionierung eines geeigneten Substratdesigns darstellt. Die Funktionalisierung der oberflächennahen 3D-Struktur von Substraten kann einen gezielten Stoff-, Flüssigkeits- und Nährstofftransport erzielen oder auch Verankerungspositionen für biologische Strukturen aufzeigen. Diese Funktionalisierung kann technisch in Poren-, Rinnen- und vaskulären Strukturen erfolgen, die durch verschiedene 3D-Druckmethoden in das Substrat eingebracht und in großer Varianz untersucht werden können. Die entwickelten Substratoberflächen werden mit Moosfragmenten oder Sporen angeimpft und zur Optimierung mit Wirksubstanzen in Kombination mit oder im Anschluss an den 3D-Druck ergänzt. Experimentelle Untersuchungen zur Mooskultivierung durch den Einsatz von Tag-Nacht-Versuchskammern, definierten Beleuchtungsszenarien und spezifischen Umgebungsbedingungen liefern valide Daten zum Besiedlungserfolg und zur Ermittlung der Aufwuchsgeschwindigkeit. Auf diesem Weg soll ein Substratsystem zum kontrollierten und zeitoptimierten Moosbewuchs entwickelt werden, das neue Möglichkeiten zur vertikalen Begrünung im urbanen Raum offeriert und die genannten wünschenswerten Effekte adressiert.
Förderkennzeichen: 031B0398